Textilforschung im Zeichen von Corona und Nachhaltigkeit

Das Forschungskuratorium Textil hat jetzt seinen aktuellen Forschungsbericht 2020 veröffentlicht. Er wirft einen Blick auf das ungewöhnliche Corona-Jahr und macht zugleich Hoffnung. Denn die Textilbranche ist durchaus gestärkt aus dieser Zeit hervorgegangen. Das zeigen unter anderem die vielen interessanten und teils faszinierenden Forschungsergebnisse, die der Bericht vorstellt.

03.08.2021

Das Jahr 2020 stand auch für die deutsche Textilindustrie ganz im Zeichen der Pandemie. Viele Unternehmen kamen durch einbrechende Nachfrage oder Lieferengpässe seit Anfang 2020 in eine wirtschaftlich schwierige Situation. Die Textilforschung aber war glücklicherweise auch im Corona-Jahr sehr dynamisch. Dieses Fazit zieht das Forschungskuratorium Textil (FKT) in seinem aktuellen Forschungsbericht, der ab sofort hier heruntergeladen werden kann. „Die Textilforschung war in wichtigen Bereichen gut auf die Pandemie vorbereitet. Auf einigen Zukunftsfeldern hat Corona sogar als Beschleuniger gewirkt“, sagt FKT-Forschungsleiter Johannes Diebel. So seien in vielen Anwendungen, beispielsweise bei Gesundheitstextilien, in den vergangenen Monaten ungewöhnlich schnell Ergebnisse erzielt worden.

 

Schnelle Reaktion auf die Herausforderungen der Pandemie

Der aktuelle Bericht stellt eine ganze Reihe von Entwicklungen und Aktionen vor, die die deutschen Textilforschungsinstitute im vergangenen Jahr im Kontext von Corona realisiert haben. So wurden in Rekordzeit Masken produziert, die Forschung vorangetrieben und Prüflabore aufgebaut. Verschiedene Technologien zur Herstellung von sogenannten Alltagsmasken wurden weiterentwickelt, um diese bequemer, passender oder hygienischer zu machen. Nachhaltige Lösungen wie beispielsweise Mehrwegmasken haben sich die DITF auf die Fahne geschrieben. Sie haben neben Vlies auf FFP2-Niveau auch Konzepte für fertig konfektionierte Masken erstellt. Das STFI hat zusammen mit Industriepartnern alltagstaugliche Atemschutzmasken entwickelt, die erhöhten Tragekomfort bieten und in allen Altersgruppen akzeptiert werden. Ziel des Forschungsprojektes waren angepasste Masken für verschiedene Gesichtsformen und -größen, insbesondere auch für Kinder. Des Weiteren wurde am STFI der Grundstein für ein Forschungs-, Entwicklungs- und Beratungszentrums für Schutzausrüstungen gegen Infektionserreger gelegt. Damit werden auch neue Prüfkapazitäten zur Zertifizierung von FFP-Masken geschaffen.

Hüpfknete als textiler Werkstoff

Der Forschungsbericht stellt auch wieder eine Fülle an aktuellen Projektergebnissen aus verschiedenen Forschungsgebieten wie Gesundheit, Produktion und Logistik oder Wohnen vor; darunter ein Hygienemonitor für medizinische Textilien und Oberflächen, der mithilfe von reizempfindlichen Liposomen gefährliche Krankenhauskeime nachweist. Alles in allem gibt es in diesem Jahr erneut eine ganze Zahl faszinierender Projektergebnisse. Um nur ein Beispiel zu nennen: Schock absorbierende Garne für Protektoren, deren Kern aus sogenannten dilatanten Fluiden besteht. Bislang kannte man diese Materialklasse nur in Form von Hüpfknete. Daraus hergestellte Protektoren sollen künftig deutlich bequemer als herkömmlicher Schutz sein.

Lösungen für mehr Nachhaltigkeit

Deutliche Fortschritte hat die Textilforschung im vergangenen Jahr auch wieder im Bereich der Nachhaltigkeit gemacht. Dazu zählen Hochleistungsnetzkonstruktionen für den Off-Shore-Bereich, die die Belastung der Umwelt durch Mikroplastik verringern sollen. Basis des neuen Systems sind Hybridstrukturen, die aus zwei Elementen bestehen: lastaufnehmende, aus Hochleistungsfasern bestehende Elemente und umgebende, aus biologisch abbaubaren Rohstoffen bestehende Scheuer- und UV-Schutz- Elemente. Maßstäbe setzt ein Projekt zur Wiedergewinnung von Carbonfasern (CF) aus Verbundmaterialien mithilfe von Pilzen. Bislang ist die Rückgewinnung der Carbonfasern aus der Kunststoffmatrix schwierig. Um den Stoffkreislauf zu schließen und die CF in hoher Qualität zurückzugewinnen, wurde am HIT ein biologisches Abbauverfahren untersucht, bei dem der Pilz Aspergillus niger zum Einsatz kommt, der Epoxidharze verstoffwechseln kann. Zusammenfassend zeigten die Ergebnisse, dass ein biotechnologischer Abbau der Epoxidmatrix von CFK möglich ist. Für eine industrielle Anwendung müssen die Prozesse aber noch optimiert werden.

Neben den verschiedenen Projekten stellt der Bericht ferner Wissenschaftler vor, die im vergangenen Jahr für ihre Arbeiten ausgezeichnet wurden. Darunter Philippa Ruth Christine Böhnke vom ITM der TU Dresden, die den Kreativitätspreis des Deutschen Textilmaschinenbaues 2020 für die Entwicklung von additiv gefertigten Verbund-Implantaten für die Knochenregeneration erhalten hat. Diese enthalten eine Faserverstärkung aus biokompatiblen Kieselgelfasern und ein Matrixmaterial auf Basis medizinischer Klebstoffe mit Calcium-, Natrium- und Phosphoranteilen. Damit ähnelt das Material weitgehend realen Knochenstrukturen.

Vorstandsmitglied Mareen Götz stellt sich vor

Vorgestellt wird im Bericht auch Mareen Götz als neues Vorstandsmitglied des FKT. Im Interview erzählt die Geschäftsführerin der Firma Vowalon, welche Herausforderungen sie für die deutsche Textilindustrie sieht und wie sie sich in den kommenden Jahren ins FKT einbringen wird. Ein wichtiger Aspekt im Bereich der Textilindustrie und -forschung ist für sie eine verstärkte Außenwirkung, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. „Ich finde, dass wir die Branche noch stärker von ihrem angestaubten Image befreien müssen“, sagt Mareen Götz, denn nur so könne man die jungen Menschen erreichen.